[Rezension] zu "Cassia & Ky: Die Flucht" v. Ally Condie

  

  // Cassia & Ky // Die Flucht 

Originaltitel: Crossed
Erschienen: 20. Januar 2012

Verlag: Fischer FJB

Hardcover: 464 Seiten
ISBN: 978-3841421449

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Homepage der Autorin Ally Condie

Leseprobe
" Ich stehe in einem Fluss. Er ist blau. Dunkelblau. Er reflektiert die Farbe des Abendhimmels. Ich bewege mich nicht. Aber der Fluss. Er bedrängt mich und raschelt im Ufergras. »Raus da!«, befiehlt der Wachmann auf der Böschung und richtet den Strahl seiner Taschenlampe auf uns. »Aber Sie haben doch gesagt, wir sollen die Leiche im Wasser versenken«, erwidere ich, als hätte ich den Wachmann falsch verstanden. "


Inhalt

Wie durch ein Wunder gelingt Cassia die Flucht in die Äußeren Provinzen. Sie will nach Ky suchen, ihrer großen Liebe.

Dort kämpft Ky als Soldat für die Gesellschaft und ist ununterbrochen brutalen Angriffen ausgesetzt. Als Cassia endlich auf eine Spur von Ky stößt, ist er bereits entkommen und auf dem Weg in die wilden Canyons in den Grenzgebieten. Verzweifelt macht sich Cassia auf den lebensgefährlichen Weg.  Was wird sie am Ende der ihr bekannten Welt finden? Zwischen steinigen Schluchten und staubigen Pfaden sucht Cassia nicht nur nach Ky  –  sondern auch nach sich selbst.  [Quelle: Inhalt]

Charaktere, Setting & Schreibstil

Kaum hatte ich Band 1 beendet (Rezension findet ihr dazu nochmals HIER), musste ich gleich Band 2 aufschlagen und weiterlesen. Davor hatte ich aber nochmal einen kurzen Blick in verschiedene Leserstimmen geworfen und ich war milde überrascht: Viele waren eher mit negativen Punten behaftet. Daher ging ich doch sehr kritisch an den Nachfolger heran:

Zwar wird auch hier wieder in der Ich-Perspektive erzählt, jedoch wechseln die Erzähler - Cassia und Ky. In den ersten Kaptieln fande ich das ein wenig verwirrend, da man ja immer wieder umdenken musste. Aber im Grunde ist es das Beste, was die Autorin machen konnte, denn so fühlt sich der Leser beiden Charakteren nochmal ein ganzes Stück näher. Kann hinter die Fassade blicken, erhält Einblick in die geheimsten Gedanken und Sehnsüchte, versteht die jeweiligen Beweggründe. In diesem Teil wird mir auch erst wirklich bewusst, wie wichtig es für Cassia ist aus dem Regime auszubrechen - dem Drang nachzugehen sein Leben selbst bestimmen zu können, eigene Spuren zu hinterlassen und angesammeltes Wissen zu teilen und weiterzugeben.

Vor allem bei Cassia ist mir ihre persönliche Weiterentwicklung stark aufgefallen - sie wird stärker, selbstbewusster und hat klare Ziele, die sie bis zum Schluss verfolgt. Cassia und Ky bekommen während dieser Flucht nochmals mehr Tiefgang, mehr Charakter und können mich emotional nochmals besser abholen verglichen zum ersten Band. Natürlich sind beide nicht alleine unterwegs, sondern schließen während ihrer Suche zueinander Freundschaften - ob zweckmäßig oder wirklich kameradschaftlich, sei mal dahingestellt. Cassia's Wegbegleiterin Indie war mir so ziemlich von Anfang an sympathisch und hat mich durch ihren starken Willen und unerschütterlichen Glauben an die Rebellion beeindruckt. Sie ist solch eine Nebendarstellerin, die man trotz ihrer Nebenrolle lange im Geächtnis behält. Von Kys Gefährten war ich nicht ganz so begeistert - sowohl Vick als auch der junge Eli waren für mich eher unnötige Geister, die einfach zur reinen Belustigung da waren. Xander tritt im zweiten Band leider nur einmal persönlich auf, aber findet sich doch öfters auch in Cassias Gedanken wieder ... und erstaunlicherweise auch in Kys!

Der Schreibstil von Condie war auch in diesem Teil wieder auf den Punkt gebracht und ungeschminkt. Trotzdem schafft sie es mit lebhaften Erzählungen und detailreichen Beschreibungen mir ein klares Kopfkino zu zaubern und mich emotional zu berühren. Und durch die immer mit eingeflochteten Gedichte, erhält die Geschichte einen leicht poetischen Touch.

Nervenkitzel & Spannung
Der zweite Band hat in meinen Augen schon sehr sehr früh sein absolutes Spannungshoch. Nämlich gleich zu Anfangs die beiden Fluchten von Cassia und Ky. Hier geht es auf beiden Seiten rasant zu und beide setzen auf volles Risiko. Ich war an die Seiten gefesselt und emotional konnte ich hier voll mitgehen - war selbst angespannt und habe vollends mitgefiebert. Danach schlägt die Autorin eher leisere Töne an und der Spannungsbogen flacht etwas ab, ist aber dennoch vorhanden.

Im Mittelteil stehen vor allem die Charaktere, ihr Bruch mit dem System und mit der Gesellschaft, die Gedanken an ihre Liebsten und die Freundschaften, die sich während dieser harten Zeit gebildet haben, im Vordergrund. Vor allem das Wiedersehen zwischen Cassia und Ky konnte ich kaum schneller herbeisehen und als es endlich soweit war, war es für mich eine absolute Gänsehautszene. Schon während der Suche zueinander wird die bedingungslose Liebe zueinander mehr als deutlich - diese beiden Charaktere gehören einfach zusammen. Zwei Hälften, ein Gesamtes.

Auch der vorhin erwähnte Perspektivenwechsel ist ein Punkt, den das Buch wirklich gebraucht hat, den dieser unterstützt ebenfalls aktiv den Spannungsverlauf. Denn auf beiden Seiten geschehen deutlich mehr Wendungen und des öfteren erfährt der Leser einen "Was zum Teufel...?"-Effekt. 

Auch der Schluss ist etwas seichter geraten, aber nicht seicht-langweilig, sondern eher im Stil seicht-verschwörrerisch. Ich finde nicht jedes Buchende muss in einem spekatkulären und feuerspuckendem Cliffhanger enden. Hier ist diese leise, verschörerische Andeutung zu etwas ganz Großem so viel passender. Condies Trilogie kann ich gut mit einem Tunnel graben vergleichen - im Band eins erhältst du die Basis und kratzt an der Oberfläche; im zweiten Teil gräbst du schon tiefer und die ersten Sackgassen und Abgründe tun sich auf;  und im großen Finale könnte ich mir glatt vorstellen, dass wir die Leichen aus dem dunklen Loch bergen. Passender Vergleich?

DIE FLUCHT ist eines der seltenen Bücher, welches den Leser wirlich aus seinem Alltag entfliehen  lässt und den Wunsch vermittelt immer weiter und weiter zu lesen und am besten nie mehr aus dieser einmaligen Tintenwelt auftachen zu wollen. Außerdem - und das ist tatsächlich so und nicht nur so dahingesagt - hat es mich zum Nachdenken aufgefordert, gar gezwungen - was will ich, wer bin ich, wo will ich hin? Wie soll meine Zukunft ausschauen?

Fazit

Bei vielen ist der zweite Teil um Cassia & Ky DIE FLUCHT nicht ganz so gut angekommen, wie sein Vorgäner. Ich gehöre anscheinend zu den wenige, die diesen Band genauso gut bzw. sogar einen Ticken besser gefunden haben: Ally Condie hat eine mehr als gelungene Dystopienfortsetzung gezaubert! Durch ihrem ungeschminkten Schreibstil lässt sich das zweite Abenteur leicht von der Hand lesen und man taucht leider viel zu schnell wieder aus dieser futuristischen Welt auf. In meinen Augen konnte die Autorin hier nochmals eine Schippe drauflegen und ich habe das Buch in einem Rutsch durchgelesen - es war quasi ein Zwang. Somit wieder ein fantastisches Buch mit kurzweiliger Dauer - perfekt für ein solch verregneten Tag wie heute!

Summa Sumarum: Knappe, aber dennoch 5 verdiente Engelsflügel!